Seit einigen Tagen ist die Social Media-Gemeinde in Aufruhr, denn es gibt etwas neues, frisches und spannendes zu entdecken – die Rede ist von der iOS-App „Clubhouse“. In diesem Artikel geht es aber nicht um die Nutzung der App, sondern warum sie überall gehyped wird und was das für Unternehmen bedeutet.
Wer mich kennt weiß, dass Podcasting und Audioreportagen nicht nur eine berufliche Leidenschaft von mir sind. Seit Jahren bin ich der Faszination um Stimmen, Klänge und Geschichten erlegen und verfolge deshalb natürlich mit einem Auge immer was sich Neues in der Branche tut. Und gerade tut sich mal wieder etwas. Eine neue und vor allem exklusive App ist aufgetaucht und wird international gefeiert, als ob der Messias höchstpersönlich auf die Erde herabgestiegen ist. Endlich ist es möglich Live-Podcasts vom Smartphone aus aufzunehmen und das Publikum kann sich sogar selbst mit einbringen. Es sitzt also in der ersten Reihe und hat die Möglichkeit digital die Hand zu heben und einen Beitrag ins Mikrofon zu sprechen. Einige Artikel zu diesem Thema hieven die App sogar auf ein hohes, erleuchtetes Podium, denn sie soll die Demokratisierung der Podcasts endlich Realität werden lassen. Darauf hat die Welt nur gewartet.
Wie Sie merken habe ich den ersten Absatz bewusst etwas sarkastisch formuliert. Ich freue mich zwar, wenn Innovationen auf dem Markt erscheinen, aber man muss Neuerungen auch erst einmal kritisch betrachten und analysieren. Zunächst muss man sagen, dass das Prinzip der App ja nichts neues ist. Seit Jahren gibt es Applikationen für sämtliche Plattformen, die Social Audio-Anwendungen erlauben und auch das Publikum einbinden können. Das Einzige was Clubhouse jetzt besser macht – es ist eine Smartphone-App. Die App ist eine Simplifizierung des Grundgedankens jedes Podcasters, der immer nach der einfachsten Möglichkeit gesucht hat, mit seinem Publikum an einem festen Ort in direkten Kontakt zu treten. Bezahlt wird diese Neuerung allerdings mit den Nutzerdaten, denn das amerikanische „Clubhouse“ ist wieder ein Beispiel für die digitale Trägheit Europas. Mich stimmt diese Tatsache traurig, denn mit einer europäischen Variante dieser App würde aktuell nicht die Datensicherheit im Fokus der Diskussionen stehen.
Natürlich sind auch die ersten Negativschlagzeilen zu Clubhouse erschienen. In einer Diskussionsrunde brachte eine Person aus dem Publikum verbotenes Gedankengut zum Ausdruck. Dabei ist aber meines Erachtens nicht die Applikation das eigentliche Problem, wenn so etwas passiert, sondern dieses Beispiel zeigt, dass man als Medienproduzent und Moderator eine große Verantwortung trägt, der man auch gerecht werden muss. Wenn ich mich als Person oder Unternehmen dazu entscheide ungefiltert der Öffentlichkeit im „anonymen“ Internet entgegenzutreten, muss ich mir bewusst sein, dass das Auditorium sicherlich kritischer auf Inhalte reagiert als beispielsweise auf einem Kongress. Hier ist also Vorsicht geboten und ich würde daher keinem Unternehmen aktuell dazu raten auf den Zug aufzuspringen. Podcaster haben schon lange die Entscheidungsmöglichkeit, live und ungefiltert Personen zum Stream dazuzuschalten. Dies wird aber nur selten genutzt, weil sich jeder der Problematik gewahr ist, wie schnell etwas Negatives über der Äther ausgestrahlt wird. Ein gutes Beispiel ist auch die Plattform Twitch. Hier findet die Interaktion mit dem Streamer nur über ein Chat-Tool statt. Die Kanalbetreiber mit vielen Followern leisten sich gleich mehrere Moderatoren, die aktiv den Chat bei jedem Stream begleiten und unpassende Inhalte löschen. Das Problem bei Clubhouse ist allerdings, dass ein Audiokommentar nachträglich nicht mehr gelöscht werden kann. Dies birgt enorme Gefahren.
Interessant ist aber, dass Clubhouse zeigt, dass Audio-Content einen wichtigen Stützfeiler im Internet-Medienmix einnimmt. Unternehmen können es sich heute nicht mehr erlauben nur eine Facette zu bedienen. Insbesondere die Authenzität ist heute ein Bedürfnis beim Publikum, dass befriedigt werden muss.
Unternehmen fühlen sich durch Trends schnell dazu gezwungen, auf Innovationen zu reagieren. Dieser Grundgedanke ist auch nicht falsch, aber prüfen Sie Alternativen und stellen Sie sich immer die Frage, ob Sie einen Kanal wirklich bedienen können und wollen. Wenn Sie die Frage mit „Ja“ beantworten, dann nutzen Sie etablierte Tools und ein geschultes Moderatorenteam, um ein professionelles Erlebnis zu schaffen.